Thứ Sáu, 11 tháng 3, 2016

Beitrag aus der Süddeutschen Zeitung Nr. 231 von Herrn Tobias Matern

Mai Huy Tan kämpfte gegen die Amerikaner im Dschungel und wurde Beamter. Dann kam er nach Deutschland und biss in seine erste Thüringer.
Heute macht der Vietnamese mit Würsten aller Art in seiner Heimat Millionen-Umsätze. Er ist ein Star-Unternehmer des Kommunismus.

Hanoi – Um sechs Uhr in der Früh und spät am Abend, da verwandelt sich die Stadt in ein Fitnessstudio. Jogger eilen mit kon-zentriertem Joggerblick am Mausoleum
von Ho Chi Minh vorbei, dem 1969 gestorbenen vietnamesischen Revolutionär; andere Bewegungsfanatiker verrenken sich beider Gruppengymnastik im Park und engen so den Radius der Tango-Tänzer ein. Wieder andere spannten Badminton-Netze über die Bürgersteige, befestigt an Bäumen und Straßenschildern. Natürlich gibt es auch die Fußballspieler, die sich vor dem Lenin-Denkmal zum Kicken treffen. Und zwischen diesen Fixpunkten im Leben vieler Vietnamesengilt: Alles ist in Bewegung, niemand ruht.

Schon gar nicht in Hanoi, der Hauptstadt dieses Landes, das nach wie vor von
der Kommunistischen Partei im Alleingang geführt wird. Auch Mai Huy Tan
treibt regelmäßig Sport, allerdings meist in geschlossenen Räumen. Nach der Arbeit
geht der Unternehmer am liebsten in den edlen „Elite Fitness Club“, der am Westsee
der Stadt in der Nähe seiner Villa liegt. So etwas gibt es in der Sozialistischen Republik inzwischen auch – einen Club, der schon im Namen seine wohlhabende Klientel umgarnt. Singapur - Feeling in Hanoi. Mai Huy Tan braucht den Ausgleich, den ihm der Sportbeschert.Tagsüber ist der Vater von zwei Kindern beschäftigt–schließlichgiltes, einen Betrieb mit 300 Angestellten zumanagen. Under erkundet fortwährend neue Geschäftsfelder.

Leben wie in Singapur:Nach der Arbeit in den „Elite Fitness Club“

An diesem Morgen lässt sich Mai Huy Tan vom Fahrer durch den Verkehr chauffieren. Dieserwirkt chaotisch, aber nur für den ungeübten Beobachter. Vietnamesen
halten sich weitgehend anVerkehrsregeln. Sie warten brav, bis die Ampel grün leuchtet, um dann in einer gewaltigen Kolonne zu fahren. Diszipliniert wälzen sich die Autos durch die ganze Stadt. Stillstand gibt es in Hanoi nicht, der Lärm ist eine Konstante. Autos, Roller, Roller und noch mehr Roller. Mai Huy Tan sitzt hingegen in einem
Toyota. Bald soll es ein BMW oder Mercedes sein, so wünscht er es sich – auch diesen Ausdruck deutscher Perfektion schätzt der Firmenchef. Bei der kurzen Fahrt in seine Stadtwohnung klingelt sein Handy viermal und zwar zu den Klängen von Beethovens Neunter Symphonie.

Doch an diesem Tag gibt es keine freudigen Nachrichten: Die Maschinen in seiner Fabrik werden umgestellt, also stehen sie still. „Einerseits haben wir inzwischen viele neue Möglichkeiten in diesem Land, andererseits aber noch immer enge Grenzen“, sagt Mai Huy Tan in perfektem, fast akzentfreiem Deutsch. Der Mann springt aus dem Auto, läuft die Stufen zu seinem Apartment im Herzen der Stadt hoch. Vienam hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gewandelt, vom Agrarland zum Industriestaat, vom Kommunismus alter Prägung zur neuen Form des roten Staatskapitalismus, und genau diesen Wandel spiegelt das Leben Mai Huy Tans wieder.Er war in der nordvietnamesischen Volksarmee, kämpfte drei Jahre an der Front gegen die amerikanischen Besatzer, damals Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre. „Amy Go Home!“, stand auf den Plakaten der Demonstranten im Westen, und Mai Huy Tan wollte genau danach helfen. Der 63-Jährige erinnert sich an das Donnern der B-52- Bomben
und ihre tödliche Fracht, an das Leid des Krieges, die Zerstörung.

Doch längst bemühen sich die ehemals verfeindeten Staaten um pragmatischen Umgang miteinander. Vietnam ist die Nachbarschaft zu China nicht geheuer, zu den roten, allzu imperialistischen Kapitalisten im Geiste, und darin sehen die USA ihre strategische Chance. Auch wirtschaftlich kooperieren die beiden Staaten. Mai HuyTan importiert den übergroßen Anteil seiner wichtigsten Ressource aus denVereinigten Staaten: Schweinefleisch.

Seinen Landsleuten verkauft er - überaus erfolgreich – Wurst nach deutschem
Rezept. Bei ihm gibt esWiener, Thüringer, Nürnberger. Schwein in allen Variationen.
Das Geschäft boomt, der Dschungel-Krieger von einst gehört zu einem der erfolgreichsten Unternehmer des südostasiatischen Landes.

Dabei hatte er seine Karriere keineswegs darauf ausgerichtet, ein geachteter
Geschäftsmann zu werden. Nachdem die Amerikaner Vietnam im Jahr 1975 gedemütigt verlassen hatten, schlug Mai Huy Tan zunächst eine Karriere im Staatsapparat
ein. Der Mathematiker arbeitete im Ministerium für Energie. Seine Leistungen überzeugten die Parteikader – obwohl er selbst, das ist ihm wichtig, nie in die Partei eingetreten ist. „Ich will mit der Politik nichts zu tun haben“, sagt der Herr der Würstchen
und nimmt auf dem Sofa Platz. Hinter ihm an der Wand hängt ein ausladender Holzrahmen, der aber kein Gemälde verschönert, sondern ein postergroßes Foto von
Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem vietnamesischen Premierminister Nguyen
Tan Dung zeigt. Die beiden Regierungschefs leisten Unterschriften. Daneben, deutlich kleiner, ein Bild von Altkanzler Gerhard Schröder, der Mai Huy Tan während eines Vietnam-Besuches zuprostet.

Mai Huy Tan hat nicht nur ein Faible für Bilder mit deutschen Politikern. Auch Goethe- und Schiller-Büsten stehen im Wohnzimmer. Er ist ein Deutschland-Fan. Stolz blättert er in dem von ihm herausgegebenen Gesangbuch „An die Freude“, für das er deutsche Volks- und Weihnachtslieder ins Vietnamesische übersetzt hat. „Ich habe zehn Jahre daran gearbeitet, es war für mich nicht einfach nur ein Buchprojekt, sondern echte Liebe“, sagt der Unternehmer. Er lächelt sanft. Deutschland und er,das ist Liebe, zumindest wird seine Stimme fast zärtlich, wenn er von seiner „zweiten Heimat“ spricht.

Vor 30 Jahren hat Mai Huy Tan begonnen, Deutschland zu erkunden: Zusammen mit einigen Auserwählten schickt ihn die vietnamesische Regierung im September 1982 für ein Mathematik-Studium in die DDR, das sozialistische Bruderland. Erst nach Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), dann nach Halle,wo er an der Martin-Luther-Universität promoviert. Er ist der erste Ausländer an der Fakultät dort, der mit „summa cum laude“ den Doktortitel erlangt. 1986 kehrt er nach Vietnam zurück. Das Land bringt gerade die ersten, zaghaften Reformen auf den Weg –Doi Moi („die Renovierung“). Mai Huy Tan arbeitet wie der im Ministerium, er will seinen Teil dazu beitragen, die Planwirtschaft in die Marktwirtschaft zu überführen. Dochbald muss er erkennen: Theorie und Praxis lassen sich nicht zusammenbringen. „Ichwar wahnsinnig frustriert“, sagt er. Und auch das Gehalt reicht nicht aus, um seine Familie zu ernähren. So gründet einen Verlag, gibt mehr als 30 Bücher heraus und knüpft Kontakte zu deutschen Firmen.

Über seine zahlreichen Besuche in Deutschland spricht er mit einem Leuchten in den Augen. Fast schon sentimental wird Mai HuyTan, wenn er von einem Moment im Dezember 1982 spricht. Berlin, Ostbahnhof: Es war sein erster Winter in Deutschland, und es war das erste Mal, dass er eine Bratwurst aß. „Ich werde das nie vergessen“, erklärt er Unternehmern aus dem Heimatland des deutschen Wirtschaftsministers Philipp Rösler. Für einen Moment meint man, der freundliche, kleine Herr mit den grauen Strähnen im dunklen Haar macht Witze. Aber Mai Huy Tan schwärmt tatsächlich von einer Thüringer Wurst und diesem „unglaublichen Geschmackserlebnis“.

Er bittet seine Assistentin, doch nun bitte die Wurstplatten vorzubereiten. Der Mathematik-Doktor hat sich Jahre später an diesen Moment am Ostbahnhof erinnert, als er mit dem ehemaligen Hausmeister der DDR-Botschaft in Hanoi auf die Idee kam, den Vietnamesen die Bratwurst ins Land zu bringen. „Wir wussten nicht, ob ein solches Produkt den Geschmack der Menschen hier trifft“, erzählt er. Doch das Risiko hat sich gelohnt. Seine Firma Duc Viet, inzwischen eine Aktiengesellschaft, liefert eine der Erfolgsgeschichten des wirtschaftlichen Wandels in Vietnam. Zwölf Mitarbeiter beschäftigte Mai Huy Tan zu Beginn des Projekts „Deutsche Wurst für Vietnam“, als er im Jahr 2000 in  dem Asien-Staat die ersten Thüringer herstellen ließ. Anfangs verdoppelte seine Firma Jahr für Jahr den Umsatz, heute bekommt auch sein Unternehmen die Wirtschaftskrise zu spüren. Das bedeutet im Fall von Mai Huy Tan: Wachstumsraten von 15 bis 25 Prozent. Das ist immer noch deutlich über dem vietnamesischen Durchchnitt. 300 Angestellte produzieren jährlich 4000 Tonnen Fleisch. Außer Bratwurst gibt es Bockwurst, Nürnberger, Kochschinken und Leberwurst. „Ich bin stolz, dass ich die deutsche Esskultur nach Vietnam gebracht habe“, sagt Mai Huy Tan. Da ist er ganz unbescheiden.

In seiner Wurstfabrik, etwa eine Autostunde vom Zentrum Hanois entfernt, hat der Ex-Beamte, der zum Lernen nach Berlin reiste, deutsche Standards etabliert. Der Geschäftsführer stammt aus Deutschland, die Fleischereimaschinen kamen aus Weimar, die Hygienestandards in der Fabrik sind vom TÜV Rheinland geprüft und mit einem Siegel belohnt worden. Auch hätte Mai Huy Tan gerne das Schweinefleisch aus Deutschland importiert, aber das war zu teuer. Ein Anbieter aus dem Ruhrgebiet forderte 20 Prozent mehr als der Lieferant aus den USA. Darüber, dass er noch keine Züchtung und eigene Schlachtung in Vietnam auf die Beine stellen konnte, zeigt sich Mai Huy Tan enttäuscht: „Da stoßen wir hier noch immer an unsere Grenzen.“ Einmal in Fahrt, lamentiert er über diez ahlreichen Probleme der vietnamesischen Wirtschaft. Schwer sei es nach wie vor, Fachkräfte anzuheuern, das Ausbildungssystem sei rückständig. Und trotz einiger Reformen noch immer sei dasWirtschaftssystem viel zu bürokratisch, es werde nicht genug gegen die Korruption getan.


Dennoch: Mai Huy Tan und sein deutscher Partner Michael Campioni haben sich mit Ihrem Produkt durchgesetzt, auch wenn es für viele Vietnamesen einen unerschwinglichen Luxus darstellt. Die Menschen, die es sich leisten können, kaufen allerdings treu bei der Firma Duc Viet, die auch Restaurants, Hotels, Schulkantinen und die Armee beliefert. Längst musste Mai Huy Tan eine größere Fabrik bauen lassen. Das Unternehmen macht einen Jahresumsatz von mehr als 400 Milliarden vietnamesischen
Dong, das entspricht 22 MillionenUS Dollar. Seinen Mitarbeitern zahlt der Mathematiker im Durchschnitt 200 bis 250 US Dollar, das ist deutlich über dem Mindestlohn, den aber nicht alle Vietnamesen verdienen. Reis bauern kommen auf gerade einmal 300 Dollar im Jahr. Längst noch nicht alle hat der Aufschwung der vergangenen Jahre erreicht, auch Vietnam erlebt wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Mai Huy Tans Assistentin serviert nun vier Teller voller Wurst: Wiener, Nürnberger, Bockwurst, Schinken. „Mit Buchenspnen aus Deutschland geräuchert“, sagt der Fachmann voller Stolz. Dazu gibt es Senf aus der Tube und Brot.

Der Plan: Die Deutschen sollen in Windkraft und Biostrom investieren

Mai Huy Tan hat es geschafft: Die Idee mit der deutschen Wurst für Vietnam hat ihn reich gemacht. Aber das heißt nicht, dass er sich mit dem System zufrieden gibt. Mai Huy Tan verlangt weitere Veränderungen. Die Einparteienregierung reagiere viel zu träge, findet er. „Man redet nur von oben herab, aber unten an der Basis wird wenig geändert.“ Noch immer gebe es zu viele Staatsbetriebe, die privilegiert würden, aber ineffizient arbeiteten. Vietnam brauche transparentere Vorschriften und einen Wandel im Bankensystem. Mai Huy Tan sieht sich nicht als Regimegegner, dennoch spricht er kritisch über die mangeln-depolitische Weiterentwicklung in seinem Land: „Wir müssen uns mehr demokratisieren, sonst kommt die Gesellschaft nicht voran.“

Die Wurstfabrik läuft, wenn auch nicht an diesem Tag. Längst widmet sich der Mathematiker neuen Projekten, wieder setzt ervoll auf deutsche Technologie. Er will erneuerbare Energien im großen Stil nach Vietnam bringen. Der ehemalige deutsche Botschafter in Hanoi hat ihn auf die Idee gebracht, Mai Huy Tan ist heute auch Geschäftsführer der Vietnam-Deutschland-Brücke. Er will deutsche Chefs gewinnen,
in Windkraft und Biostrom zu investieren. „Deutschland hat dieTechnologie, und wir
haben den Bedarf“, sagt er und beißt kräftig in die Bockwurst.
Mai Huy Tan sieht dabei, für einen Moment, richtig glücklich aus. 

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